Die Nachbarin

Jessika Herrmann

Jessika Herrmann kannte Flüchtlinge nur aus den Nachrichten – bis sie plötzlich zu ihren Nachbarn wurden. Wie verändert sich das Leben als Anwohnerin der größten Erstaufnahme-Einrichtung Bayerns?

14. Juli 2016, 10:46 h

Parallelwelt statt Nachbarschaft

Nichts Neues an der Erstaufnahme-Einrichtung in der Bayern-Kaserne? Das sagt zumindest Jessika Herrmann – doch von vielem bekommt die Nachbarschaft einfach nichts mit.

„Bei uns in München gibt es nichts Neues. Es ist zwar Sommer, aber es hat in letzter Zeit viele Regentage gegeben und bei diesem Wetter zieht es niemanden ins Freie – auch die Flüchtlinge nicht, soweit ich das mitbekomme. Vor zwei Jahren gab es viele Flüchtlinge, die bei warmem Wetter an der Heidemannstraße entlang im Gras saßen und die Sonne genossen. Dieses Jahr habe ich davon noch gar nichts gesehen.“

 

Hier zeigt sich, wie schnell sich eine Parallelwelt entwickeln kann: Während Jessika in ihrer Kolumne beschreibt, wie ruhig es weiterhin in der Nachbarschaft ist, herrschte vor der Bayern-Kaserne bis vor kurzem Ausnahmezustand: Bis vor wenigen Tagen campierten über 20 Flüchtlinge aus Pakistan und Afghanistan vor der Erstaufnahme-Einrichtung. Eigentlich waren sie in einer Flüchtlingsunterkunft in Ruhpolding untergebracht, doch weil sie sich dort vom Heimleiter schikaniert fühlten, zogen sie kurzerhand nach München um. Über einen Monat lang harrten sie unter einem Wellblechunterstand aus, bei Sturm und Regen – um gegen die Bedingungen in ihrer Unterkunft zu protestieren. Der Heimleiter soll dort angeblich Briefe der Asylbewerber zerrissen haben, das Essen sei oft verdorben gewesen. Am 12.Juli kam man den Flüchtlingen dann mit einem Angebot entgegen: Sie könnten auf andere Unterkünfte verteilt werden. Am Abend reisten sie ab.

 

Unter diesem Wellblechdach auf dem Vorplatz der Bayern-Kaserne harrten Flüchtlinge über einen Monat lang aus

Und auch sonst machte die Bayern-Kaserne wieder Negativ-Schlagzeilen: Wie der Bayerische Rundfunk berichtete, soll der Sicherheitsdienst in der Kaserne teilweise spät nachts in die Schlafräume kommen, um zu überprüfen, ob die Bewohner in ihren Betten sind. Obwohl es schon tagsüber Anwesenheitskontrollen gibt. Asylbewerber haben sich beschwert, man werde „wie im Knast behandelt“.

 

Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Situation an der Bayern-Kaserne weiter entwickelt: Gegen Ende des Jahres soll die Einrichtung in einen Fliegerhorst außerhalb von München umziehen. Dort befindet sich bereits jetzt eine Außenstelle, in der über 1.000 Flüchtlinge untergebracht sind.