Die Nachbarin

Jessika Herrmann

Jessika Herrmann kannte Flüchtlinge nur aus den Nachrichten – bis sie plötzlich zu ihren Nachbarn wurden. Wie verändert sich das Leben als Anwohnerin der größten Erstaufnahme-Einrichtung Bayerns?

20. Dezember 2015, 4:30 h
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„Es ist menschlicher geworden“

Die Bayern-Kaserne in München grenzt direkt an ein Wohngebiet. Die Anwohner schildern die Situation vor Ort sehr unterschiedlich, die Meinungen gehen auseinander.

16. Dezember 2015, 14:56 h

Mein Nachbar, der Flüchtling

Jessika Herrmann wohnt mit ihrer Familie direkt neben der Bayern-Kaserne in München, der größten Erstaufnahme-Einrichtung Bayerns. Was ändert sich, wenn nebenan Hunderte Flüchtlinge einziehen?

Die Bayern-Kaserne in München hatte für viele Schlagzeilen gesorgt: Wir hatten von völlig überfüllten Hallen gehört, von katastrophalen Zuständen rund um das Gelände. Jessika Herrmann wohnt mit ihrer Familie nur 150 Meter entfernt von der Erstaufnahme-Einrichtung. Täglich trifft sie auf Flüchtlinge, sitzt mit ihnen im Bus, begegnet ihnen beim Einkaufen. Wir sind zu ihr gefahren, um mit ihr eine Frage zu besprechen, die sich Tausende Menschen in ganz Deutschland gerade stellen: Was macht es mit der Nachbarschaft, wenn nur eine Straße weiter so viele Flüchtlinge einziehen? Die Tage, die wir mit Jessika Herrmann verbracht haben, führen zu einer überraschenden Erkenntnis.

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Jessika Herrmann ist Halb-Peruanerin, sie wurde in Lima, der Heimatstadt ihrer Mutter, geboren. Dass Flüchtlinge gesellschaftlich ganz anders wahrgenommen werden als sie selbst mit ihrem Migrationshintergrund, stört sie: „Es ist schade, dass es Einwanderer besonders schwer haben, wenn auf einen Schlag sehr viele von ihnen kommen. Die einheimische Bevölkerung hat dann wohl den Eindruck, überrannt zu werden.“

Für Schaffen wir das? wollten wir einen Gesprächspartner gewinnen, der neben einer Erstaufnahmeeinrichtung, einer Asylbewerberunterkunft oder einem Grenzübergang wohnt – einen Anwohner, der eigentlich nichts mit Flüchtlingen zu tun hat, nun aber schon vor der Haustür mit ihnen konfrontiert wird. Jemanden, der für die breite Masse steht. Wie schwer sich diese Suche gestaltet, wurde uns schnel

Die lange Suche nach einem Nachbarn

l klar: Ein zuvor interessierter, direkter Nachbar der Registrierungsstelle LAGeSo in Berlin zog nach den Anschlägen in Paris seine Zusage plötzlich zurück. Aus Angst, bei kritischen Bemerkungen, auch über Muslime, „selbst Zielscheibe von Terror zu werden“. Also ging die Suche weiter, diesmal am deutsch-österreichischen Grenzübergang in Freilassing. Eine Anwohnerin sagte erst zu, überlegte es sich dann aber doch anders: Sie würde sich wie eine Voyeuristin fühlen, wenn sie gemeinsam mit uns an den wartenden Flüchtlingen an der Grenze vorbeigehen würde, schrieb sie uns in einer emotionalen Mail. Auch wenn wir in München schließlich fündig wurden: Die Suche hat uns gezeigt, wie viele Ängste und Sorgen mit dem Thema verbunden sind, wie laut ausgesprochene Ansichten plötzlich Verzagtheit weichen.
 

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Jessika Herrmann in ihrem Garten - nur wenige Meter Luftlinie entfernt haben viele Flüchtlinge ihre erste Unterkunft in Deutschland gefunden.

 

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Reporterin Sina Struve im Interview mit Jessika Herrmann.

 

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Reporter Felix Rentzsch beim Dreh in Jessika Herrmanns Wohnung. Die PR-Beraterin wohnt seit mehr als drei Jahren in der Wohnung im Münchner Norden.

Über die Neuankömmlinge in der Nachbarschaft kann Jessika Herrmann nichts Negatives sagen. „Die Menschen, denen ich begegnet bin, waren immer hilfsbereit, genauso wie alle anderen Nachbarn hier.“ Andere Anwohner sind da durchaus kritischer. Wird das den Zusammenhalt unter den Nachbarn gefährden? Und wie wird Jessika Herrmann auf die Frage „Schaffen wir das?“ in den nächsten Wochen und Monaten antworten?

Fakten rund um die Bayern-Kaserne

  • Die Bayern-Kaserne ist für 1200 Personen ausgelegt. Im Herbst 2014 waren zeitweise bis zu 1900 Menschen dort untergebracht. Zusätzlich zu den 140 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die auch auf dem Gelände leben.
  • Es gibt insgesamt sechs Erstaufnahmeeinrichtungen in München, sowie zwölf Gemeinschaftsunterkünfte mit Plätzen für bis zu 2240 Flüchtlinge.
  • Für die Bayern-Kaserne ist ein Schlüssel von einem Sozialarbeiter auf 100 Flüchtlinge vorgesehen – im Idealfall.
  • Nach Aussagen der Polizei ist in München „keine gesteigerte Deliktshäufigkeit“ zu beobachten.
  • Ende 2016 soll die Bayern-Kaserne schließen, geplant ist ein Wohngebiet mit 4000 Einheiten. Flüchtlinge sollen dann u.a. in anderen ehemaligen Kasernen Platz finden.
  • München hat 1,4 Millionen Einwohner. Nach dem Königsteiner Schlüssel müssen bis Ende 2015 12 500 Flüchtlinge in der Stadt untergebracht werden. Das entspricht knapp 0,9 Prozent der Einwohnerzahl.
  • 22 Prozent aller Asylbewerber in Bayern wohnen in Erstaufnahmeeinrichtungen.
  • In Bayern gab es 2015 (Stand: September) insgesamt 43 Übergriffe auf Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte. Das ist ein trauriger Platz 3, hinter Sachsen (159 Übergriffe) und Brandenburg (72 Übergriffe).
15. Dezember 2015, 14:13 h

schaffen_wir_das

D I E N A C H B A R I N Jessika Hermann kannte Flüchtlinge nur aus den Nachrichten - bis sie plötzlich zu ihren Nachbarn wurden. Wie verändert sich das Leben als Anwohnerin der größten Erstaufnahme-Einrichtung Bayerns? Wir werden die Entwicklung ein Jahr lang begleiten. #schaffenwirdas #nachbarin #flüchtlinge