Die Frau mit dem goldenen Kreuz ist beim Flüchtlingstreff in einem kleinen Dorf in Rheinland-Pfalz nicht zu übersehen. Eine Blondine unter 100 muslimischen Männern – und dann auch noch mit einem christlichen Symbol um den Hals.
Rana Salib ist 33 Jahre alt und Mutter eines Jungen: Mark. Er ist sechs Jahre alt. Als ich sie zum ersten Mal sehe, weiß ich nicht, dass sie noch ein Kind hat: die neunjährige Christelle. Sie und ihren Ehemann musste Rana zurücklassen, als sie im Sommer aus Syrien floh.
Gleich im ersten Interview spreche ich Rana auf den Schmuck an, den sie immer trägt: goldene Ohrringe, ein goldenes Kreuz, zwei goldene Ringe. Mehr ist ihr nicht geblieben. Es ist ihr Hochzeitsschmuck. Sie trug ihn am Körper während der Flucht. Dann erzählt sie, dass bald ihr zehnter Hochzeitstag ist. Der erste, den sie und ihr Mann getrennt verbringen, weil es ihnen nicht gelang, auf legalem Weg gemeinsam irgendwohin auszureisen – nach Kanada oder Australien. Überall wurden sie abgelehnt.
Als Rana sich mit ihrem Sohn auf den Weg nach Deutschland macht, denkt sie noch, dass sie in einem Monat ihren Mann und ihre Tochter nachholen kann. Inzwischen lebt sie schon seit fünf Monaten in Deutschland. Der Termin für ihre Anhörung ist im März. Erst dann wird entschieden, ob sie bleiben darf. Doch selbst wenn Rana Salib und ihr Sohn Asyl erhalten: Für ihren Mann und ihre Tochter wäre das noch keine Lösung.
Der Familiennachzug wird in Deutschland derzeit heftig debattiert. Niemand weiß, wo und wann die kleine Familie wieder zusammenfinden kann. Eines ist klar: Zurück nach Syrien kann Rana nicht.
Nicht jeder darf seine Verwandten nach Deutschland holen
Nur wer bereits als schutzberechtigt anerkannt wurde, darf seine Familie nachziehen lassen. Dafür muss er sich einer sogenannten vertieften Einzelfallprüfung unterziehen. Dabei prüft ein Entscheider das individuelle Verfolgungsschicksal. Diese Anhörungen können Stunden dauern. Die Wartezeit bis zu dieser Prüfung beläuft sich auf Monate.
Es bestehen zwei Arten von Anerkennung: die subsidiäre und die im Sinne der Genfer Konvention. Für subsidiär Schutzberechtigte gibt es derzeit keinen Familiennachzug. Schutzberechtigte im Sinne der Genfer Konvention haben da mehr Glück – sie dürfen Ehegatten und minderjährige Kinder nachholen. Der Haken an der Sache: Ihre Verwandten im Heimatland müssen dafür persönlich zu einem Termin in der jeweiligen deutschen Auslandsvertretung erscheinen. Die Wartezeit: Wieder mehrere Monate.
Hinzu kommt, dass es in Ländern wie Syrien gar keine deutsche Auslandsvertretung mehr gibt. Syrer müssen in das deutsche Konsulat im Libanon oder in der Türkei. Die Reise kann jedoch sehr gefährlich sein und an mehreren IS-Checkpoints vorbeiführen.