Seit der Zuzug von Flüchtlingen im vergangenen Sommer zugenommen hat, steigen auch die Anforderungen an ihre medizinische Versorgung. Die Bedürfnisse sind unterschiedlich: Auf der einen Seite gibt es Krankheiten, wegen denen man in Deutschland nicht unbedingt zum Arzt gehen würde, etwa Erkältungen und Gliederschmerzen. Folteropfer und Menschen, die sich während der Flucht verletzt haben, müssen hingegen auf jeden Fall behandelt werden. Außerdem kommen viele schwangere Frauen nach Deutschland.
Viele Ärzte helfen ehrenamtlich
Flüchtlinge haben vor ihrer Erstregistrierung keinen Anspruch auf medizinische Versorgung. Deshalb engagieren sich zurzeit viele ehrenamtliche Ärzte. Im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in Berlin stellen außerdem Mediziner der landeseigenen Krankenhausbetriebe Charité und Vivantes eine Grundversorgung sicher. Ein Pool von Ärztekammer und der Gewerkschaft Marburger Bund umfasst außerdem etwa 300 Ärzte aller Fachrichtungen, die Flüchtlinge ehrenamtlich in Berlin versorgen. Das klingt nach einer guten Versorgung, ist aber ausschließlich auf ehrenamtliches Engagement zurückzuführen. Ärzteverbände und Gewerkschaften fordern die Politiker deswegen schon länger auf, zu handeln und die medizinische Versorgung auf eine solide Basis zu stellen.
Nachdem der Asylantrag gestellt wurde, erhalten die Flüchtlinge einen grünen Schein, mit dem sie jede beliebige Arztpraxis aufsuchen können. Dieser Schein muss einmal im Quartal im LAGeSo abgeholt werden. Damit kann der Patient dann zu einem Allgemeinmediziner gehen, der Überweisungen zum Facharzt ausstellt. Vor ihrem Antrag haben Flüchtlinge offiziell keinen Anspruch auf einen Arztbesuch.
Steigende Kosten durch Gesundheitskarte?
Die Gesundheitskarte könnte all das vereinfachen. Mit ihr könnten registrierte Flüchtlinge direkt zu einem Arzt ihrer Wahl gehen, analog zur Gesundheitskarte für Kunden deutscher Krankenkassen. Auch Fachärzte können sie aufsuchen. Der Zwischenschritt über den Allgemeinmediziner entfällt. Die Abrechnung erfolgt über die Krankenkassen, die sich das Geld von den zuständigen Behörden zurückholen („Bremer Modell“). Die Grundversorgung mit einer Gesundheitskarte entspricht dem Umfang des grünen Scheins. Bei einer bestehenden Aufenthaltserlaubnis besteht ein höherer Leistungsanspruch, der beispielsweise nicht nur Notfälle umfasst.
Kritiker der Gesundheitskarte, wie der bayerische CSU-Abgeordnete im Bundestag, Georg Nüßlein, fürchten durch die Einführung zusätzliche Anreize für Flüchtlinge, nach Deutschland zu kommen. Außerdem geht er von steigenden Kosten für die Solidargemeinschaft aus, sollte die Gesundheitskarte kommen.
Bis jetzt (Stand: Dezember 2015) haben Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen eine sogenannte Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. Weitere Bundesländer wollen nachziehen.