Ein Großteil der über 27.000 Bewohner in den Notunterkünften (NUK) in Berlin sind seit Anfang Februar versichert. Husten, Kopfschmerzen, Bluthochdruck und Diabetes können nun in den Praxen der Kassenärzte nach Facharztstandard abgeklärt und behandelt werden, wie es jedem Kranken in Deutschland zusteht.
Trotzdem hat die Belastung der Flüchtlinge zugenommen. Seit Monaten leben die meisten in quälender Enge, ohne Rückzugsmöglichkeit, ohne Privatsphäre oder Intimität und ohne sinnvolle Beschäftigung oder Perspektive. Die Notunterkünfte sind leider doch nicht nur eine kurzfristige Bleibe. Hier ist eine große Ernüchterung der Asylsuchenden eingetreten, deren Hoffnungen an der Realität zerbrochen sind. Unsicherheit, Pessimismus und Depression haben zugenommen.
In dieser veränderten Situation stellen sich nun komplexere und auch vielfältigere Aufgaben. Der Fokus meiner Arbeit liegt jetzt auf den Lebensumständen in den Unterkünften, um Faktoren zu erkennen, die die körperliche oder seelische Gesundheit gefährden.
Ich überwache die Qualitätsstandards , von Hygiene- oder Ernährungsstandards bis zu den Betreuungsangeboten für Kinder, um deren Recht auf eine möglichst ungestörte Entwicklung zu gewährleisten.
Bewohner und Betreiber müssen dabei unterstützt werden, den Weg sicher in die Regelversorgung zu finden. Dazu müssen Personal, Dolmetscher und Ehrenamtliche sowohl die bürokratischen Abläufe kennen als auch in medizinischen Fragen geschult werden. Kompliziertere medizinische Sachverhalte müssen erklärt werden, damit bei chronisch Kranken eine kontinuierliche Behandlung gesichert ist. Das Verhalten gegenüber psychisch auffälligen Menschen muss besprochen werden, damit diesen nicht durch gut gemeinte aber falsche Ansprache Schaden zugefügt wird. Dabei muss ich davon ausgehen, dass das Personal in den Notunterkünften nicht immer ausreichend qualifiziert ist.
Erschwert wird die Erfüllung meiner Aufgaben dadurch, dass mir zunehmend ehrenamtliche SprachmittlerInnen, auf deren Mitarbeit ich mich bisher verlassen konnte, absagen. Sie fühlen sich müde und ausgelaugt, haben nicht mehr die Kraft, sich der belastenden Arbeit zu stellen und brauchen eine Auszeit. Ich kann das gut verstehen. Mir geht es nicht anders, allerdings werde ich gestützt und motiviert unter anderem durch die Anerkennung meiner Arbeit, die die Sprachmittler oft nicht in ausreichendem Maße erhalten.
Zusätzlich zur Sicherung der medizinischen Versorgung in den NUKs arbeite ich auf Bitte des Landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement (LKF) mit an einem Konzept für die medizinische Versorgung der Bewohner in Notunterkünften unter 500 Bewohnern. Die Grundlage dafür sind die Erfahrungen, die ich im Auftrag der Gesundheitsämter in den NUKs der Bezirke Friedrichshain/Kreuzberg und Neukölln gemacht habe.
So erlebt Reporter Johannes Malinowski die Ärztin Dr. Renate Schüssler: