Wie kann man in einem Land leben, wenn man sich nicht verständigen kann? Ibrahim Qalla hat genau dieses Problem – wie so viele andere Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland gekommen sind. Ein Drittel von ihnen kommt wie Ibrahim aus Syrien. Er ist mit 18 Jahren ohne seine Familie aus seiner Heimat geflohen. Er spricht kein Deutsch, kein Englisch, nur seine Muttersprache Arabisch. Ich habe Ibrahim Qalla mit meinem Kollegen Jakob Hanke begleitet und gesehen, wie schwer es ohne Deutschkenntnisse wirklich ist.
Ohne Dolmetscher ist Ibrahim hilflos. Behördengänge, Unterricht oder einfach nur Treffen mit neuen Leuten: für Ibrahim momentan fast unmöglich. „Wenn ich Deutsch gelernt habe, wird sich mein Leben um 180 Grad wenden“, sagt er auf Arabisch. Bislang verfolgt er sein Ziel konsequent. Seit März ist Ibrahim in einer Willkommensklasse in Kreuzberg und nimmt dafür einiges auf sich. So fährt er jeden Tag insgesamt drei Stunden vom Flüchtlingsheim in Köpenick zur Schule und wieder zurück. Bus, Bahn, Tram und noch ein Stück zu Fuß. Dann sitzt er im Raum mit etwa zehn anderen Flüchtlingen und lernt Deutsch. Fünf Stunden am Tag, fünf Tage die Woche. Ibrahim ist einfach nur froh, dass er die Chance bekommt: „Ich gehe unglaublich gerne in die Schule. Wenn ich mal einen Tag frei habe, fehlt mir was.“ Einzelne Wortfetzen versteht er schon und versucht auf Deutsch zu antworten. Doch für Smalltalk reicht es noch nicht.
Für seinen großen Traum ist die Sprache unabdingbar. Ibrahim: „Seitdem ich zwölf Jahre alt bin, möchte ich Schauspieler werden.“ Sein Plan ist es, in Deutschland Schauspiel zu studieren und in Theatergruppen einzutreten. Doch bis dahin ist der Weg noch weit: „Ich fühle mich festgefahren, weil ich ohne Deutsch nichts Anständiges machen kann.“ Ibrahims zunehmende Ungeduld ist nicht zu übersehen. Ob er lernt, damit umzugehen?
Sprachförderung für Flüchtlinge
Damit Ibrahim schnellstmöglich Deutsch lernen kann, kam er nach seiner Ankunft in eine sogenannte Willkommensklasse. Die Kurse – mit jeweils etwa zwölf Schülern – dienen primär dazu, die hier Ankommenden auf ein Niveau zu heben, mit dem sie dem deutschsprachigen Schulunterricht folgen können. Denn nach einem Jahr soll Ibrahim eine Prüfung ablegen, um zu testen, wie gut er mittlerweile Deutsch spricht. Wenn es ausreicht, soll er in den normalen Schulalltag integriert werden. Dann kann er sein Abitur nachholen. Die Kosten für die Willkommensklassen werden von den einzelnen Bundesländern getragen.
Zusätzlich dazu gibt es den sogenannten Integrationskurs. Dieser ist in einen Sprachkurs (600 Unterrichtsstunden) und einen Orientierungskurs (60 Unterrichtsstunden) aufgeteilt. Teilnehmen können, laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Ausländer, die bereits seit längerer Zeit in Deutschland leben und Flüchtlinge „mit jeweils guter Bleibeperspektive“. Ausgeschlossen sind jedoch Schulpflichtige. Neben dem Erlernen der Sprache wird man im Orientierungskurs über das Leben, die Kultur und die Rechtsordnung in Deutschland informiert. Die Teilnehmer müssen 1,20 Euro pro Unterrichtsstunde bezahlen. Wenn an der Abschlussprüfung teilgenommen wird, werden 50 Prozent des Betrages erstattet. Sozialhilfeempfänger und Empfänger des Arbeitslosengeldes II bekommen den Kurs bezahlt.
Außerdem wird eine Vielzahl von Sprachkursen angeboten. Unter anderem von der Caritas oder vom BAMF. Vor allem ehrenamtliche Lehrer und Lehrerinnen übernehmen den Unterricht in Universitäten, Schulen oder karitativen Einrichtungen in ganz Deutschland.