Traurige Erkenntnis!
Ibrahim Qalla (20) haben wir für unser Projekt ein drei viertel Jahr begleitet, doch kurz vorm Ziel müssen wir mitteilen, dass der Syrer nicht mehr länger Teil von „Schaffen wir das” ist.
Was ist passiert?
Ibrahim ist vor drei Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen. Von der im Südwesten liegenden Stadt Idlib, über ein Jahr hoffnungsvolles Warten in Griechenland nach Berlin. Wir lernten ihn 2015 kennen, fragten ihn, ob er bei unserem Projekt mitmachen möchte. Der Syrer ist ein Beispiel für gelungene Integration, könnte man meinen: Er geht zur Schule, lernt Deutsch. Sein großer Traum: Schauspieler werden. Doch Ibrahim wirkt zuweilen verloren ohne seinen Bruder. So war es keine Überraschung, als wir erfahren, dass er ins 600 Kilometer entfernte Aachen zieht – zu seinem mittlerweile in Deutschland wohnenden Bruder Omar (21). Wir besuchten die beiden im Sommer. Doch unser Anliegen war nicht allein die Besichtigung ihrer gemeinsamen Wohnung.
Am 1. Juli postet Ibrahim ein Bild von sich mit Issam al-Attar, dem alten Anführer der syrischen Muslimbruderschaft, der seit den Siebzigerjahren in Deutschland lebt. Ibrahim hat ihn in der Bilal-Moschee in Aachen kennengelernt. Zu dem Bild (mittlerweile gelöscht) schreibt er: „Das war die schönste Rede, die ich in meinem Leben gehört habe, Al-Hamdu lillah (Allah sei gepriesen). Und vielleicht passieren hiernach ja noch schöne Dinge, die Allah in diesem Leben zufrieden stimmen. Großmütiger Scheich Issam al-Attar, möge Allah dir ein langes Leben schenken. Und vielleicht sind diese Bilder Erinnerung und zugleich Beginn von etwas Neuem.”
Wir sprachen mit den Brüdern, diskutierten über den Post und publizierten wenige Wochen später den Artikel „Die muslimischen Brüder” in der WELT kompakt. Darin schrieben wir unter anderem, wie der Glaube den beiden geholfen habe, wie er seit ihrer Kindheit ein wichtiger Teil von ihnen sei. Gewalt aber lehnen sie ab, sie sind schließlich selbst Opfer von Salafisten. Und al-Attar? „Ein alter Mann, der eine inspirierende Rede gehalten hat”, fasst Ibrahim zusammen. Omar und Ibrahim wussten von diesem Artikel, reagierten trotzdem negativ.
Sich nur auf die von ihm missverstandene Überschrift beziehend, will sich Ibrahim seitdem nicht mehr öffentlich äußern. Wir hätten die beiden in einen falschen Zusammenhang mit der Muslimbruderschaft gebracht, sagt er. Unserer Erklärungen und weitere Gesprächsanfragen blieben leider unbeantwortet.