Januar 2016 ist vorbei. So viele Vorsätze hatte ich zum neuen Jahr gefasst, wollte schneller Deutsch lernen, mir endlich ein eigenes Zuhause suchen. Doch leider geht es nur schleppend voran. Ich muss nämlich noch einmal zum Lageso, um einen Schein abzuholen. Damit kann ich zum Jobcenter gehen, das dann für mich zuständig ist. Termine am Lageso sind eine einzige Katastrophe. Die letzten Wochen habe ich mich mehrmals Nächte lang in die Warteschlange der Flüchtlinge gestellt, aber morgens um vier, wenn die Zelte geöffnet werden, habe ich es nie hinein geschafft. Dabei hatte ich sogar einen Termin. Aber Termine sind am Lageso irgendwie nichts wert, keiner kümmert sich darum, dass die Leute, die einen Termin haben, auch wirklich in die Zelte und ins Amt kommen. Das frustriert mich so sehr. Es ist zum Glück nicht mehr so kalt wie vor Weihnachten, als ich schon einmal zum Lageso musste, aber mich zermürbt das ewige Warten dennoch. Ich verpasse häufig meinen Deutschunterricht. Manchmal, weil ich mich schon nachmittags in die Warteschlange stelle, manchmal aber auch, weil ich vom nächtlichen Warten so erschöpft bin, dass ich nur noch ins Bett falle. Mein ganzer Körper schmerzt dann, doch schlafen kann ich auch nicht immer.
Vor einigen Wochen sind zudem Bomben in meiner Heimatstadt Salamiyah in Syrien explodiert. Meine Eltern hatten furchtbare Angst. Und ich habe mich zum ersten Mal hier in Deutschland unglaublich hilflos gefühlt, weil ich nichts machen kann. Ich kann meinen Eltern nicht helfen und ich komme selbst nicht richtig weiter zur Zeit. Jetzt habe ich Ende des Monats wieder einen Termin am Lageso. Ich hoffe sehr, dass es dieses Mal dann endlich klappt. Danach kann ich zum Jobcenter, um mir eine Arbeit zu suchen und muss nicht mehr zu diesem furchtbaren Amt. Immerhin habe ich mich mit ein paar Freunden zusammengetan und vielleicht bekommen wir bald eine eigene Wohnung – eine Wohngemeinschaft, das fände ich schön. Als wir uns die Wohnung angeschaut haben und ich mir vorgestellt habe, wie wir dort zusammen wohnen können, habe ich auch wieder Energie geschöpft. An solchen Momenten will ich festhalten.
So erlebte Reporterin Julia Maria Grass den Optimist