Hunderte Menschen warten angespannt, als sich der Bauzaun vor ihnen öffnet. Es ist vier Uhr morgens. Schon seit Stunden stehen junge Männer, Familienväter und Frauen mit ihren Kindern in der Kälte vor dem LAGeSo an. Die Turmstraße 21 im Berliner Stadtteil Moabit ist mittlerweile bis in die Kriegs- und Krisengebiete dieser Welt bekannt. Hier steht das Landesamt für Gesundheit und Soziales – DIE Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Hauptstadt. Doch das LAGeSo hat in Deutschland einen zweifelhaften Ruf. Zwischenzeitlich konnten von 1000 ankommenden Flüchtlingen am Tag nur 250 registriert werden – auch deshalb kommt es oft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Mittendrin: Detlef Wagner (47). Von Beruf eigentlich Hauptkommissar, ist er hier „Welcome-Manager“. Wagner ist der Mann für die Sicherheit – von der Konzeptentwicklung bis zu dessen handfester Umsetzung im Gemenge. Der Berliner ist immer ganz vorne mit dabei. Genau das macht ihn für unser Projekt Schaffen wir das? so relevant. Hinter dem Schreibtisch fühlt sich der Beamte nicht wohl: „Ich mag Arbeit, bei der ich sehe, was rauskommt. Da wissen Sie sofort, wenn Sie jemandem geholfen haben.“
Berlin-Charlottenburg, strömender Regen, drei Uhr nachts. Unsere erste Begegnung mit Detlef Wagner war ungewöhnlich. Von Müdigkeit bei Wagner keine Spur, er berichtet lebhaft, macht sogar Witze, als wir zusammen von seiner Haustür gut 45 Minuten zum LAGeSo laufen. Für Wagner Alltag. Er geht die Strecke immer zu Fuß, sagt er, um Abstand zu gewinnen, den Kopf frei zu kriegen.
„Als einziges CDU-Mitglied in unserer Familie bin ich das schwarze Schaf“, sagt er und lacht. Der Welcome-Manager wurde in einem politisch denkenden Haushalt groß. Sein Vater war überzeugter Sozialdemokrat. Früh brachte er ihm bei, sich für Schwächere einzusetzen und, noch wichtiger: hinter der eigenen Meinung zu stehen. Konflikte lösen, friedvolles Zusammenleben. Diese Dinge beschäftigen den Familienvater Detlef Wagner. Mit leuchtenden Augen erzählt er uns von seinen Projekten gegen Antisemitismus und Rassismus.
„Mein Mann arbeitet momentan viel mehr als er müsste“, sagt Kristina Wagner (29). Seine Frau wird nachdenklich, wenn sie über das riesige Engagement ihres Mannes spricht. Was zunächst als 40-Stunden-Woche geplant war, hat sich mittlerweile verdoppelt. Die junge Mutter sorgt sich um die Gesundheit ihres Partners. Zurecht: Detlef Wagners enormer Einsatz kostete ihn schon einmal die Stimme. Tagelang kommunizierte der sonst so wortgewandte Vermittler nur noch schriftlich mit seiner Familie. Die bekommt im Februar Zuwachs. Wagners Frau erwartet das zweite gemeinsame Kind. Ob ihr Mann den Spagat zwischen Dauereinsatz und Privatleben meistern kann – es wird sich zeigen…
So funktioniert das LAGeSo
In der Turmstraße 21 steht das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) – die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Berlin.
Eine Hausnummer weiter, in der Turmstraße 22 stehen zwei Zelte. In einem Zelt warten die Flüchtlinge. In einem zweiten Zelt werden, mit der Hilfe von Dolmetschern, persönliche Daten aufgenommen. Die Asylbewerber erhalten dann ein weißes, Bändchen mit Barcode.
Dieses Band berechtigt, in einem von derzeit etwa 130 Camps in Berlin unterzukommen, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen und von Ärzten behandelt zu werden. Derzeit werden täglich 200 bis 500 Männer, Frauen und Kinder auf diesem Weg registriert.