Handball spielen mit den Kumpels, abends ein Bier mit Freunden, essen gehen mit der Freundin – Peter Geese könnte das sorglose Leben eines 21-Jährigen führen. Stattdessen hat er eine der verantwortungsvollsten Aufgaben in der aktuellen Flüchtlingskrise übernommen: Er leitet eine Erstaufnahme-Einrichtung in Leipzig für bis zu 420 Menschen. Hier bekommen die Flüchtlinge ein erstes Bild von Deutschland. Oft bleiben sie viele Wochen in den Notunterkünften, übernachten in Schlafsälen mit Hunderten anderen Menschen. Eine Ausnahmesituation – nicht nur für die Flüchtlinge. Wie kann ein 21-Jähriger das als Chef meistern?
Peter Geese ist um die Verantwortung nicht zu beneiden. Wenn Flüchtlinge aus seiner Unterkunft abgeschoben werden sollen, bekommt er vorher häufig einen Anruf. „Spricht aus Ihrer Sicht etwas dagegen?“ Seine Antwort verändert Schicksale. „Ich halte mich an die Fakten, berichte von unserer medizinischen Untersuchung. Ein Urteil gebe ich nicht ab, das müssen Andere fällen“, sagt Geese.
Der 21-Jährige arbeitet fast rund um die Uhr. Er ist dicht dran an den Schicksalen der Menschen, die er betreut. „Mit einigen Flüchtlingen“, sagt er, „verstehe ich mich gut. Aber ich würde niemals mit ihnen privat ausgehen. In meiner Position muss ich Distanz wahren.“
In Leisnig, einer sächsischen Kleinstadt in der Nähe seiner Heimat, erzählt Geese uns, wie sehr die neue Aufgabe sein Leben verändert hat. Auf das Training mit seinem Handball-Klub SV Leisnig 90 muss er nun fast immer verzichten. Und nicht nur darauf.
Er ist mit seiner neuen Aufgabe gewachsen. Doch die Folge ist noch mehr Verantwortung. Gerade ist Geese am Aufbau einer neuen Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Leipzig beteiligt.
„Ich bin krisenerprobt“, sagt er selbstbewusst. Aber kann er auch für einen reibungslosen Start in der neuen Unterkunft sorgen – und die Ernst-Grube-Halle in Leipzig in gute Hände übergeben?
Erstaufnahme-Einrichtung
Flüchtlinge werden in Deutschland nach der Einreise auf die Erstaufnahme-Einrichtungen der Bundesländer verteilt. Jede Einrichtung besteht aus einer Registrierungsstelle und mindestens einer Notunterkunft wie beispielsweise der Ernst-Grube-Halle. Die Einrichtungen werden in Sachsen in Kooperation mit Hilfsorganisationen, unter anderem den Johannitern, betrieben.
Offiziell müssen die Flüchtlinge nach drei Monaten entweder in eine Gemeinschaftsunterkunft oder in eine eigene Wohnung vermittelt werden. Doch weil Unterkünfte fehlen, wird diese gesetzliche Vorgabe zurzeit häufig verletzt. Wie viele Flüchtlinge bundesweit in Notunterkünften leben, ist unklar. Eine offizielle Statistik gibt es nicht.