Es gibt nur einen Weg aus der Flüchtlingskrise . Da ist sich der Präsident der bayerischen Handwerkskammer genauso sicher wie viele Wirtschaftsexperten: „Die Integration von Flüchtlingen kann und wird nur über Ausbildung und Arbeit gelingen.“ Doch viele Unternehmen tun sich schwer damit, Asylbewerber zu beschäftigen – zu abschreckend sind bürokratische Hürden, mangelnde Qualifikationen, fehlende Sprachkenntnisse.
Einer, der sich trotzdem getraut hat, ist Sven Gempper. Der 53-jährige Werksleiter des Landmaschinenherstellers AGCO in Hohenmölsen (Sachsen-Anhalt) vermittelt Flüchtlingen in seinem Unternehmen erste Arbeitskenntnisse – durch Praktika.
Sven Gempper wird selten emotional, wenn es um das Thema Flüchtlinge geht. Er sieht ein Problem und versucht es pragmatisch zu lösen. „Bestimmt wird es in den nächsten Monaten auch Schwierigkeiten geben. Bitte zeigen Sie hier nicht nur die heile Welt“, sagte er bei unserem ersten Besuch. Über mangelnde Sprachkenntnisse und Motivation seiner neuen Mitarbeiter wollte er genauso offen sprechen wie über seine Erfolge.
An unserem ersten Drehtag kommt Gempper trotz Grippe zur Arbeit, um seine neuen Praktikanten zu begrüßen. Jeden Morgen geht er in die Ausbildungswerkstatt, schaut sich die Fortschritte an und spricht mit den Flüchtlingen über Gewinde und Stahlträger. Verstehen dürften sie davon mangels ausreichender Deutschkenntnisse noch kaum etwas, aber wie im Projekt selbst zählt hier zunächst vor allem der gute Wille.
Sven Gempper will mit seinem Betrieb auch andere Arbeitgeber motivieren, Flüchtlinge einzustellen. „Manchmal muss man als Unternehmen ein bisschen vorangehen, dann zieht man die anderen auch mit“, erklärt er uns. Er gibt aber auch zu, dass er nicht sicher ist bei der Frage, ob alle acht Flüchtlinge ihr Praktikum wirklich abschließen werden.
Arbeitsrecht für Flüchtlinge
Asylbewerber und Geduldete dürfen während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts in Deutschland keinerlei Arbeit aufnehmen. Anschließend gilt zwölf Monate lang die Vorrangprüfung, das heißt: Hat ein Asylbewerber eine Stelle in Aussicht, muss zunächst geprüft werden, ob ein Deutscher oder EU-Bürger mit entsprechender Qualifikation dafür in Frage kommt. Wird der Asylantrag abgelehnt, muss der Asylbewerber eventuelle Beschäftigungen abbrechen und das Land verlassen. Erst nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt uneingeschränkt möglich.
Um den Asylsuchenden trotz dieser bürokratischen Hürden erste Arbeitskenntnisse vermitteln zu können, hat der Burgenlandkreis das in Mitteldeutschland einzigartige Projekt „Berufliches Ausbildungszentrum für Asylbewerber und Flüchtlinge“ gestartet, das über die nächsten vier Jahre vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit 2,5 Millionen Euro gefördert wird. Auch der Europäische Sozialfonds fördert die Initiative. Die AGCO Hohenmölsen GmbH bietet dreimonatige Praktika an, in denen jeweils acht Flüchtlinge erste Praxiserfahrungen sammeln können, die ihnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Ein weiterer Teil des Programms ist Deutschunterricht.