„Durch Nichtstun brennen Flüchtlinge innerlich aus“

Die Bildunginitiative Kiron will Flüchtlingen ein Studium zu ermöglichen, unbürokratisch und flexibel. Ein Interview mit Gründer Markus Kreßler.

Wie unser Projekt mit Terror umgeht

Kürzlich erreichte uns ein Leserkommentar mit dem Vorwurf: „Rückschläge werden bei Euch kaum thematisiert.” Anlass genug, um Stellung zu beziehen – gerade nach den vergangenen Tagen und Wochen

Apotheker ohne Grenzen: Die Helfer im Hintergrund

Etwa eine Million Flüchtlinge kamen 2015 nach Deutschland. Viele brauchen medizinische Hilfe. Tausende ehrenamtliche Ärzte in Notunterkünften bekommen dabei Unterstützung von Apotheker ohne Grenzen.

23. Januar 2016, 5:00 h

„Die Geberländer leisten ihre Zahlungen nicht“

Rudi Löffelsend ist seit über 35 Jahren in der Auslandshilfe aktiv. Im Interview kritisiert der 65-Jährige die Kurzsichtigkeit der Politik, nennt aber auch Beispiele für gelungene Flüchtlingsarbeit.

19. Januar 2016, 4:22 h

„Für die Flüchtlinge ist das Rufmord“

„Kriminelle Taten kennen keine Nationalität", sagt Gauhar Besmil. Die 62-jährige Afghanin sinniert nach der Silvesternacht von Köln über ihre Arbeit als Leiterin eines Flüchtlingshauses.

10. Januar 2016, 11:42 h

„Syrer sollten sich genau überlegen, welche Alternative sie haben“

Im Oktober wurde Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) von der Bundeskanzlerin zum Koordinator für die Flüchtlingskrise ernannt. Im Interview erklärte er uns, wie er die Situation wahrnimmt.

Herr Altmaier, Sind Sie noch regelmäßig in Ihrer Heimat?

Ja. Aber längst nicht jedes Wochenende, obwohl ich es gerne wäre. Ich muss auch am Wochenende oft in Berlin sein.

Klingt nach Überstunden.

Nicht selten sitzen wir auch am Wochenende zusammen, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen, zum Beispiel im Koalitionsausschuss.

Werden Sie in Ihrem Wahlkreis mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik konfrontiert?

Alle 20 Gemeinden in meinem Wahlkreis haben Flüchtlinge aufgenommen und sind damit beschäftigt, sie unterzubringen und freiwillige Deutschkurse zu organisieren. Ich glaube, die Menschen interessieren sich überall in Deutschland für dieses Thema.

Haben Sie dort auch eine Notunterkunft besucht?

Ich habe Unterkünfte und Aufnahmeeinrichtungen in der bayerischen Grenzregion besucht, als dort die Situation besonders schwierig war. Unterkünfte im Saarland werde ich sicherlich in der nächsten Zeit auch besuchen.

Was haben Sie gesehen?

In Passau waren Flüchtlinge mit kleinen Kindern. Flüchtlinge, die außer einem Sack voll Kleider nichts mitnehmen konnten und die trotzdem mit großer Zuversicht nach Europa kommen. Sie haben Schlimmes mitgemacht und hoffen, dass sie hier einen Platz finden, wo sie mit ihren Kindern in Frieden leben können. Das hat mich sehr bewegt.

Was würden Sie Syrern sagen, die mit dem Gedanken spielen, nach Deutschland zu fliehen?

Ich würde jedem raten, sich genau zu überlegen, welche Alternativen er hat. Der Start in Europa wird schwer für jemanden sein, der kein Deutsch, Englisch oder Französisch spricht. Ich sage allen Flüchtlingen: Wenn ihr nach Europa und Deutschland kommt, wird das kein Selbstläufer werden. Es wird nicht einfach sein. Das müssen sie wissen, um am Ende nicht enttäuscht zu werden

Und wenn die Menschen gezwungen sind, ihr Land zu verlassen?

Wir haben vor, die Lebenssituation in den Flüchtlingslagern der Türkei, in Jordanien, im Libanon zu verbessern und den Ländern zu helfen. Wir weisen an der Grenze keinen Flüchtling zurück, der wirklich verfolgt ist und vor Krieg, Terrorismus und Diktatur fliehen musste.

Wir begleiten in unserem Projekt eine zweifache Mutter, die mit einem Kind aus Syrien geflohen ist. Das zweite Kind und ihr Ehemann sind noch in der Heimat. Was können wir dieser jungen Mutter zum Familiennachzug sagen?

Sie muss anerkannter Flüchtling sein, einen Antrag gestellt und einen positiven Bescheid erhalten haben. Es dauert leider im Schnitt etwa fünf Monate, bis entschieden werden kann. Wenn sie dann anerkannt wird, hat sie auch das Recht auf Familiennachzug. Weitere Wartezeiten sind aufgrund der vielen Anträge nicht auszuschließen. Viele Flüchtlinge haben Kinder oder Ehepartner in Syrien zurückgelassen. Jeder Fall muss geprüft und bewilligt werden. Das dauert.

 

Danica Bensmail und Johannes Malinowski im Gespräch mit Peter Altmaier.

Sie haben gesagt „Unsere Schultern sind stark, aber auf Dauer wären wir überfordert.“

Wir wären überfordert, wenn wir alle Flüchtlinge alleine aufnehmen müssten und wenn die Zahlen nicht dauerhaft weiter zurückgingen. Deshalb arbeiten wir daran, dass weniger Menschen ihre Heimat verlassen. Wir wollen die Zahl der Flüchtlinge insgesamt reduzieren.

Wie soll das aussehen?

Diejenigen, die über ein Kontingent legal nach Europa kommen, wollen wir gerecht über die EU verteilen. Deutschland kann zwar wegen seiner Größe und seiner ökonomischen und sozialen Leistungsfähigkeit mehr Flüchtlinge aufnehmen als andere Länder, es ist aber unabdingbar, dass alle EU-Staaten mitmachen und einen Beitrag leisten, je nach Stärke und Vermögen.

Sie sagen, Sie möchten Fluchtursachen „bekämpfen“. Wie?

Die Lage in den Lagern in der Türkei, Libanon und Jordanien muss sich bessern. Wir wollen die Verpflegung der Menschen verbessern, die Anfang des Jahres vom World Food Programme des UNHCR von 28 auf 13,5 Dollar im Monat reduziert wurde. Immerhin hatte die Staatengemeinschaft reagiert, sodass mittlerweile wieder 21 Euro pro Monat pro Person zur Verfügung stehen. Es muss dort aber auch für Bildung und Arbeit gesorgt werden. Und dort, wo die Menschen noch nicht geflohen sind, aber unter fürchterlicher Bedrohung leiden, versuchen wir, die Situation zu verbessern. Das betrifft vor allem den Nordirak und Syrien. Deshalb wird die Bundeswehr sich in Syrien am Kampf gegen den IS beteiligen, um seine Infrastrukturen zu schwächen und ihm so die Möglichkeit zu Terroranschlägen zu nehmen.

Sigmar Gabriel rechnet laut „Spiegel“ mit 3,4 Mio. Flüchtlingen bis 2020. Wann, denken Sie, wird dieser Zustrom abebben?

Im Moment kommen schon deutlich weniger Flüchtlinge also noch vor einigen Wochen. Man kann aber ebenso wenig vorausberechnen, ab wann es noch weniger werden wie man vorausberechnen konnte, dass ab Juli so viele Menschen zu uns kommen würden. Wir wollen, dass der illegale Zustrom spürbar reduziert wird. Wir glauben, dass wir das schaffen können.

Viele reden von Krise, einige von Herausforderung. Wann ist diese Flüchtlingsaufgabe für Sie geschafft?

Dieses Thema wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Meine Vorstellung ist, dass wir es in den nächsten Monaten schaffen, den Zuzug so zu ordnen und zu reduzieren, dass wir uns gemeinsam voll auf das Thema Integration konzentrieren können.

Wie lange wird das dauern?

Lassen Sie uns arbeiten. Ich halte nichts von Ankündigungen, deren Realisierung man selbst nicht garantieren und überwachen kann. Wir haben in den letzten drei Monaten mehr erreicht, als die allermeisten uns zugetraut hätten. Das gibt mir Kraft auch für die nächsten drei Monate. Dann können wir eine Zwischenbilanz ziehen.

Viele sagen, die Bundesregierung sei mit offenen Augen in die Flüchtlingskrise gelaufen.

Nein. Wir konnten vor zwei Jahren nicht wissen, dass sich die Lage in Syrien für die Menschen so dramatisch zuspitzt, dass Hunderttausende gezwungen sein würden, ihre Heimat zu verlassen. Das alles konnte niemand vorhersehen. Deshalb haben wir immer das gemacht, was in der jeweiligen Situation notwendig war. Das wird auch in Zukunft so sein.

Letzte Frage, fahren Sie über Weihnachten nach Hause ins Saarland oder bleiben Sie in Berlin?

Ich fahre ins Saarland, werde aber auch wieder nach Berlin zurückkommen. Zwischen den Jahren werde ich arbeiten. Auch dann muss vieles entschieden werden. Die haupt- und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer können auch nicht einfach frei machen. Die Flüchtlinge sind hier. Die Probleme müssen gelöst werden.

Wie kommen Sie über Weihnachten zur Ruhe?

Jeder Mensch muss ab und an die Batterien aufladen. Andererseits kann ich nicht sagen: „Ich bin jetzt unerreichbar, schalte ab und ziehe mich aus allem zurück.“ Ich werde über Weihnachten das eine oder andere Buch lesen, mich auch mit Themen beschäftigen, die nichts mit der Flüchtlingskrise zu tun haben.

 

Das Interview führten Johannes Malinowski und Danica Bensmail.

4. Januar 2016, 4:30 h

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4. Januar 2016, 4:26 h

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