Bisher überraschte der Winter mit fast frühlingshaftem Wetter. In den vergangenen Tagen zog jedoch eine Kältewelle über weite Teile des Landes – die Temperaturen sanken auf bis zu Minus 20 Grad Celsius. Für die Kommunen sind die kalten Temperaturen eine enorme Herausforderung. Sie müssen dafür sorgen, dass Flüchtlinge angemessen untergebracht sind. Doch häufig mangelt es an Containern – und solide Bauten zu errichten dauert mehrere Monate. Oft stehen dann noch die komplizierten Brandschutz-Vorschriften im Weg.
Wir haben in drei Großstädten nachgefragt: Wie gut sind Sie auf den Winter vorbereitet? Und weil wir es ganz genau wissen wollten, haben wir uns mit drei Vertretern von Flüchtlingsräten unterhalten.
Inge Schürmann, stellv. Sprecherin der Stadt Köln:
Frau Schürmann, wie steht es um die Flüchtlingsunterkünfte?
Inge Schürman: Das Land NRW hat hier eine Erstaufnahme-Einrichtung. Das waren bislang Zelte, allerdings ziehen die gerade in Container. Wir arbeiten vielfach mit Leichtbaucontainern. Das sind Unterkünfte, die einerseits schnell zu errichten sind, aber auch entsprechend gegen Kälte und Nässe isoliert sind. Für den Bedarfsfall haben wir aber auch beheizte Sporthallen. Die lassen sich binnen einer Woche komplett herrichten. Zelte gibt es nur noch in Form unserer „Drehscheibe“, also an dem Ort, an dem die Flüchtlinge Zügen ankommen und weiterverteilt werden. Das dauert aber nicht mehr als 1,5 Stunden.
Wie kommen Sie zu neuen Unterkünften?
Wir haben Hotels, Wohnungen und Turnhallen untersucht, weil die am schnellsten verfügbar sind. Es bewerben sich regelmäßig Hotels bei uns mit Angeboten. In der Kölner Innenstadt gibt es ein Hotel im ganz preiswerten Segment, da hat der Besitzer komplett auf die Betreuung von Flüchtlingen umgestellt. Das Problem bei Privatwohnungen ist häufig der unzureichende Brandschutz. Es gibt immer wieder Leute, die gerne ein Zimmer abgeben wollen. Allerdings sind wir dann als Stadt sofort in der Branschutzprüfung drin. Bei Bürogebäuden ist das noch komplizierter, da es andere Anforderungen für Räume gibt, in denen Menschen übernachten. Das ist oft ganz schwer zu vermitteln.
Wie sieht es mit zusätzlichen Kapazitäten aus?
Wir haben jetzt 9400 Flüchtlinge in Köln. Im Januar werden wir weitere Plätze für 974 Menschen schaffen. Im Februar kommen 522 dazu und im März 1294 – überwiegend in Wohnungen.
Wie bereitet man sich eigentlich als Großstadt auf den Winter vor?
Momentan ist ja noch nicht ganz so kalt. Die wirklichen Wintermonate bei uns sind erfahrungsgemäß Januar und Februar. Wir haben aber von Anfang an darauf geachtet, dass über die Kleiderkammern entsprechende Anziehsachen abgegeben werden. Das heißt, dass wir die Kölner Bevölkerung bereits im Sommer explizit darauf hingewiesen haben, dass vor allem Winterbekleidung benötigt wird. Heute ist es aber sogar so, dass die meisten Flüchtlinge, die neu in die Stadt kommen, schon gut ausgerüstet sind.
Kolja Müller, Sprecher des Flüchtlingsmanagement der Stadt Frankfurt am Main:
Herr Müller, wie viele Flüchtlinge gibt es in Frankfurt?
Kolja Müller: In Frankfurt gibt es derzeit etwa 4000 Flüchtlinge. Jede Woche kommen rund 170 neue dazu.
Gibt es bei Ihnen eigentlich noch Zeltstädte?
Bei uns musste bislang niemand in Zelten untergebracht werden. Das Thema hat sich für uns auch gar nicht gestellt, da wir einen entsprechenden Grundsatz verfolgen.
Wie sind die Flüchtlinge dann untergebracht?
Bis zum Sommer haben wir Flüchtlinge in Wohnheimen, Hotels und Jugendherbergen untergebracht. Wegen des erhöhten Aufkommens mussten wir im Herbst auf Turnhallen ausweichen. Dafür musste Sportunterricht verlegt werden oder ganz ausfallen. Nach einer Prognose der hessischen Regierung, wird die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen. Deswegen suchen wir vor allem nach ungenutzten Immobilien, die wir anmieten können.
Wie sieht so etwas konkret aus?
Wir werden dabei von lokalen Maklern unterstützt. Die Makler erhalten von uns übrigens kein Geld für diese Dienste. Soviel Engagement in dieser besonderen Situation erwarten wir. Wir suchen gemeinsam nach leerstehenden Bürogebäuden oder ähnlichen Immobilien und schauen dann, was nachgerüstet werden muss. Duschen sind in der Regel ja noch nicht vorhanden. Toiletten und Waschbereiche müssen entweder eingebaut oder zumindest erweitert werden. Wegen des Brandschutzes müssen die Trennwände auch anders gestellt werden. Die Herrichtung dauert dann je nach Aufwand etwa drei bis sechs Monate.
Blick in die Räumlichkeiten der Unterkunft "Im Wolfer" in Stuttgart-Plieningen.
Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart:
Wie wir hörten, gibt es in Stuttgart keine Zeltunterkünfte. Wie steht es dann um die Unterbringung der Flüchtlinge?
Sven Matis: Momentan gibt es in Stuttgart 15 Notunterkünfte. Das sind zum einen Turnhallen, aber auch Schulen, die aufgrund von Sanierungsarbeiten gerade nicht genutzt werden. Außerdem eine Lagerhalle.
Das ist ja keine Lösung für die Ewigkeit. Wie sieht Ihr Plan für das nächste halbe Jahr aus?
Insgesamt sind 68 Systembauten geplant. Das sind aber keine Container. Man muss sich das wie ein Fertighaus vorstellen. Davon sind 20 an drei Standorten fertig. Die restlichen Gebäude werden im kommenden Jahr fertig. Die Bauzeit liegt bei 10 Monaten. Eines dieser Häuser bietet Platz für 250 Menschen.
Reicht diese Kapazität denn aus? Andere Städte behelfen sich ja vor allem mit Containern – sofern denn welche zu bekommen sind…
Auch wir suchen Container. Uns wurde die Lieferung für März 2016 zugesichert. Die Stadt Stuttgart gibt dafür 11,7 Millionen Euro aus. In den Containern können dann 700 Menschen leben.
Wie kommen Sie eigentlich an Ihre Zulieferfirmen?
Manchmal müssen wir Firmen anschreiben. Es kommt aber auch vor, dass sich Firmen selbst bewerben.
Antonia Kreul, Referntin des Flüchtlingsratsrates NRW
Sind die Flüchtlinge Ihrer Ansicht nach ausreichend gegen Kälte und Nässe geschützt?
Antonia Kreul: Es gibt nach wie vor Zeltstädte in Nordrhein-Westfalen, die aber schwierig zu beheizen sind. Es gibt auch weiterhin Turnhallen, in denen viele Flüchtlinge leben. Diese bieten vielleicht etwas mehr Schutz gegen die Kälte, aber es gibt dort so gut wie keine Privatsphäre.“
Wie sieht es mit Privatwohnungen aus? Das wäre doch sicher häufig die beste Lösung, oder?
Manchmal ärgert man sich über die Bürokratie. Es gab Privatleute, die Häuser angeboten haben, doch diese wurden wegen Kleinigkeiten abgelehnt, etwa weil der Brandschutz nicht genügte. Manchmal fällt ein Haus dann durch, bloß weil es eine Holztreppe hat. Meiner Meinung nach müssen die Vorgaben schnell geändert werden.
Flüchtlings-Unterkunft in Stuttgart-Plieningen.
Marc Millies, Referent des Flüchtlingsrates Bremen:
Herr Millies, wie steht es um die Flüchtlingsunterkünfte in Bremen?
Marc Millies: Die Unterbringung der Flüchtlinge in Bremen ist unzureichend. Oftmals wird hier auf Kosten der Menschen improvisiert. Sie müssten viel schneller in Privatwohnungen untergebracht werden – nur so kann man selbstbestimmt leben.
Welche Probleme bringt die massenweise Unterbringung mit sich?
Die Mangelversorgung in den Gemeinschaftsunterkünften hat schon mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen den Flüchtlingen geführt.
Sind derzeit noch Flüchtlinge in Zelten untergebracht?
Momentan leben noch 1500 Menschen in Zelten. Diese mussten mehrfach kurzfristig in Schulen untergebracht werden, weil ein Sturm heraufzog.
Diese Situation wird sich vermutlich noch mehrere Monate hinziehen. Welche Langzeitfolgen erben sich daraus?
Kinder können nicht eingeschult werden, solange sie in Notunterkünften sind. Das ist nachvollziehbar, weil sie ja vielleicht weiterverteilt werden, aber wenn das monatelang so geht, ist das fatal.
Bleiben wir noch kurz bei den so genannten „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen“…
Kinder sind besonders schutzbedürftig, müssen aber in Turnhallen leben. Dabei haben sie ein Recht auf einen Platz in einer Kinder- und Jugendeinrichtung.
Georg Classen, Referent des Flüchtlingsrates Berlin:
Gibt es noch Zeltstädte in Berlin?
Georg Classen: In Berlin sind derzeit keine Flüchtlinge mehr in Zelten untergebracht.
Sind denn alle Unterkünfte winterfest?
Alle Unterkünfte sind gemäß Definition winterfest, aber es gibt viele Unterkünfte, die nur einen schlechten Standard bieten. Dazu gehören etwa Traglufthallen, die mit Gebläsen beheizt werden. Zusammen mit die Resonanz verstärkenden Holzfußboden sorgt das für eine Geräuschkulisse, in der die Menschen nicht schlafen können.
In den Hangars des ehemaligen Flughafen Tempelhofs sind ebenfalls Menschen untergebracht. Wie bewerten Sie die Situation vor Ort?
Die Räume sind 15 bis 20 Meter hoch, oft stehen die Türen zum Vorfeld offen und es ist sehr schwer, die Räume zu beheizen. Die Hangars sind daher auch die erste Berliner Flüchtlingsunterkunft, gegen deren Einrichtung wir uns explizit wenden. Flüchtlinge sind dort nicht menschenwürdig untergebracht werden und die Hangars können nicht menschenwürdig hergerichtet werden. Außerdem ist es nicht sozial verträglich, Flüchtlinge in Einrichtungen wie dem Flughafen Tempelhofmit mehreren tausend Menschen auf allerengstem Raum zuammenzupferchen.
Wie sieht es mit Turnhallen aus?
In etwa 40 Turnhallen sind ebenfalls Flüchtlinge untergebracht. Diese bieten aber keinerlei Privatsphäre.
War es nicht noch bis vor Kurzem das Ziel, Flüchtlinge in Privatwohnungen zu bringen?
Leider verfolgt der Berliner Senat derzeit nicht mehr mit der nötigen Konsequenz die Politik, Flüchtlinge möglichst rasch in Wohnungen unterzubringen. Die Prüfung von Wohnungsangeboten dauert viel zu lange, scheitert oft an Kleinigkeiten. Flüchtlingsfreundliche Vermieter werden so von den Berliner Sozialbehörden verprellt.
Die Interviews führten Felix Rentzsch und Tobias Heimbach.
Fotoquelle:
Stadt Stuttgart/martinlorenz.net (Bild I und III)
Stadt Stuttgart/Thomas Wagner (Bild II)