Von Jakob Hanke
Nutzen die Flüchtlinge Deutschland wirtschaftlich?
Genaue Berechnungen zur Anzahl der Zugezogenen fehlen, nicht einmal die Bundesregierung weiß genau, wie viele Flüchtlinge 2015 Deutschland erreicht haben, geschweige denn, wie viele in den nächsten Jahren dazukommen. Ebenso schwierig ist es vorauszusagen, welches Ausbildungsprofil die Flüchtlinge mitbringen. Alle Studien, die sich des Problems annehmen, beruhen auf Schätzungen.
So spricht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bei den Kosten für Unterbringung und Integration von einer „Investition in die Zukunft“. Langfristig würden „die positiven wirtschaftlichen Impulse für Deutschland die Kosten übertreffen.“
Ihre Kollegen vom „Forschungszentrum Generationenverträge“ kommen hingegen zu dem Schluss: Selbst im günstigsten Fall einer schnellen Integration in den Arbeitsmarkt entstünden „dauerhaft jährliche fiskalische Lasten für die deutschen Steuerzahler in Höhe von 17 Milliarden Euro“.
„Niemand kann vorhersagen, wie produktiv die Flüchtlinge sein werden“
In einem Punkt sind sich alle Forscher jedoch einig: Kurzfristig wird die Unterbringung und Verwaltung der Flüchtlinge teuer. Langfristig hängen die Kosten laut der Organisation für Wirtschaftliche Zussammenarbeit und Entwicklung (OECD) davon ab, wie schnell die Migranten in den Arbeitsmarkt integriert werden: „Da die Mehrzahl der Migranten jung ist, werden sie, sofern sie Deutsch lernen und einen Job bekommen, noch über Jahrzehnte arbeiten und damit Steuern und Sozialbeiträge zahlen“, sagt Heino von Meyer vom Berliner Büro der wichtigsten Organisation hoch entwickelter Länder.
Das DIW nimmt für die Flüchtlinge eine Produktivität von 67% des deutschen Durchschnitts an und kommt so zu dem Schluss, dass sich die Integration der Flüchtlinge auch bei einer Arbeitslosenquote von 50% noch rechnet. „Doch niemand weiß genau, wie produktiv die jetzt kommenden Flüchtlinge sein werden“, sagt Simon Junker, einer der beiden Autoren der DIW-Studie. „Davon hängt auch ab, ob eine Ausnahme vom Mindestlohn helfen würde oder nicht.“
Die Wissenschaftler vom „Forschungszentrum Generationenverträge“ berechnen hingegen zukünftige Zahlungsverpflichtungen des Staates, wie Rentenansprüche. Da die Rentenzahlungen jedoch nicht gedeckt sind, der Staat also mehr Rentengelder verspricht, als er mit dem jetzigen Beitragssatz einnehmen kann, fällt diese Bilanz negativ aus, jedoch nicht nur für Flüchtlinge.
„Wenn es ein Land schafft, dann Deutschland“
Die von Stefan Moog verfasste Studie wird von vielen herangezogen, die eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen fordern. Doch man kann sie eher als Kritik an der schlechte Rentenpolitik der Regierung lesen, denn als Analyse der Kosten und Nutzen von Flüchtlingen. „Die Zunahme der Kosten ist erst einmal unabhängig davon, ob es Ausländer sind oder nicht“, sagt Autor Moog. Flüchtlinge würden die Rentenkassen in der Berechnung zwar höher belasten, weil angenommen wird, dass sie weniger einzahlen. Aber das hängt letztendlich davon ab, wie gut sie integriert werden. Er fordert: „Die Struktur der Einnahmen und Ausgaben des Staates muss geändert werden.“ Renten müssten über einen kapitalgedeckten Fonds abgesichert werden. Die Antwort auf das Problem sei jedenfalls nicht weniger Migration, sondern mehr Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften.
Obwohl es noch niemand genau weiß: Die Flüchtlinge, die jetzt kommen, sind wahrscheinlich nicht diejenigen qualifizierten Fachkräfte, nach denen die Wirtschaft ruft. Laut freiwilligen Angaben zu ihrer Bildung, die syrische Flüchtlinge beim Asylverfahren machen, hat ein Viertel nur die Grundschule besucht, 11% sind gar nicht zur Schule gegangen. Doch sie können trotzdem zum zukünftigen Wohlstand beitragen: „Sie sind Jung, wollen arbeiten, und sind insgesamt besser qualifiziert als frühere Flüchtlingswellen“, sagt Heino von Meyer von der OECD. Zudem steht Deutschland mit seiner Infrastruktur und den guten Beschäftigungszahlen im Moment gut da.
Ob wir das schaffen? „Es ist eine enorme Herausforderung“, sagt von Meyer, „ die Antwort auf diese Frage hängt von unserer Einstellung ab. In der Verwaltung läuft noch einiges schief, aber insgesamt ist Deutschland gut aufgestellt. Wenn es ein Land schafft, dann Deutschland.“