Das Ergebnis ist eindeutig: 64,82 Prozent unserer User glauben nicht oder nicht mehr an einen Erfolg von „Wir schaffen das“. Oder anders formuliert: Knapp zwei Drittel der Umfrage-Teilnehmer widersprechen der Aussage der Bundeskanzlerin (wie auch bereits Bayerns-Ministerpräsident Horst Seehofer). Am Samstagabend lag dieser Wert sogar bei deutlich über 70 Prozent. Erst in den letzten Stunden der Umfrage pendelte sich das Ergebnis bei etwa 65 Prozent ein. Aber auch die anderen Fragen lieferten unerfreuliche Antworten:
Zunächst aber erst ein paar Sätze über unsere Zielgruppe und die Aussagekraft der Umfrage: Die User von „Schaffen wir das?“ sind im Durchschnitt zwischen 25 und 34 Jahren alt. 58 Prozent unserer Facebook-Abonennten sind männlich, die meisten von ihnen leben in großen Städten, insbesondere in Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf und Köln (in dieser Reihenfolge). Lediglich 15 Prozent unserer Leser sind 45 Jahre alt oder älter. Warum ist das wichtig? Weil diese demographischen Werte direkten Einfluss auf das Umfrageergebnis haben. Ältere Menschen oder Personen aus ländlichen Regionen würden möglicherweise ganz anders abstimmen und damit das Ergebnis verändern. Da wir möglichst Transparent sein wollen, legen wir diese Werte offen. Denn eins ist klar: Diese Umfrage ist nicht repräsentativ! Die Teilnehmer speisen sich fast ausschließlich aus den Usern von „Schaffen wir das?“, sowie den Abonnenten der Facebook-Seiten von „Welt kompakt“ und der „Axel Springer Akademie“. Man könnte also davon ausgehen, dass die Teilnehmer der Umfrage überdurchschnittlich gut informiert und belesen sind. Dennoch zeigt der Blick auf andere aktuelle Umfragen, dass unsere 253 Teilnehmer dem Querschnitt der Bevölkerung sehr nahe kommen. Die „Berliner Morgenpost“ berichtete beispielsweise am 30. Juli über eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Darin war zu lesen, dass 66 Prozent der Deutschen nicht (mehr) an Merkels Aussage in Bezug auf die Flüchtlingskrise glauben – eine Differenz von lediglich einem Prozentpunkt, verglichen mit unseren eigenen Werten.
Für die folgenden Fragen gibt es keine Vergleichswerte aus anderen Umfragen. Umso spannender sind die Ergebnisse, die wir hier exklusiv präsentieren: Wir wollten von unseren Usern wissen, ob sie der Meinung sind, dass die Politik alles unternimmt, um die Sicherheit im Land zu gewährleisten. Die Antwort ist mehrheitlich „nein „– und zwar sehr deutlich. Knapp drei Viertel aller Teilnehmer (72,33 Prozent) kritisieren damit das Vorgehen von Regierung und den ihnen unterstellten Behörden. Nur 27,67 Prozent unserer User glauben, dass Polizei, Geheimdienste und Co. alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um Terrorakte zu vereiteln. An diesen Zweifeln können offensichtlich auch groß angelegte und medienwirksam in Szene gesetzte Aktionen wie die jüngsten Razzien in der islamischen Gemeinde in Hildesheim nichts ändern. Hier besteht klarer Handlungsbedarf seitens der Politik, wenn sie vermeiden will, dass sich weitere sogenannte „Bürgerwehren“ gründen, die selbst für die Sicherheit in ihrem Ort sorgen wollen. Es bleibt nun abzuwarten, wie sich solche Werte auf die nächsten Bundestagswahlen auswirken werden.
Auch in der nächsten Frage geht es um Vertrauen – genauer gesagt um das Vertrauen in die Medien. Wir wollten von den Usern wissen, ob sie der Ansicht sind, dass die deutschen Medien kritisch genug über Flüchtlinge berichten (damit war auch die Berichterstattung über von Flüchtlingen begangene Straftaten, beispielsweise während der Kölner Silvesternacht, gemeint). Die Teilnehmer der Umfrage stellen den Zeitungen, Fernsehsendern, Radiostationen und Onlineportalen ein schlechtes Zeugnis aus: Gerade einmal 36,36 Prozent der Befragten finden, dass die hiesigen Medien ihrem Auftrag zur unabhängigen und kritischen Berichterstattung in vollem Umfang nachkommen. Dem gegenüber stehen 161 Umfrage-Teilnehmer (63,64 Prozent) die offensichtlich das Gefühl haben, nicht ehrlich über die Schattenseiten der Flüchtlingskrise informiert zu werden. Auch die „Schaffen wir das?“-Redaktion hat in letzter Zeit einige Zuschriften von Lesern erhalten, in denen darauf hingewiesen wurde, dass man doch bitte „neutraler“ berichten solle. Der Redaktion wurde damit unterstellt, tendenziell zu positiv über Flüchtlinge zu berichten. Unser Chef vom Dienst hat daraufhin einen Kommentar geschrieben und die eigene journalistische Arbeit beleuchtet.
Den eindeutigsten Wert liefert die folgende Frage: Wir wollten von den Usern wissen, ob sie härtere Strafen für Flüchtlinge fordern. Die Frage schloss die Forderung nach schnelleren Abschiebungen explizit mit ein. Fast alle Umfrage-Teilnehmer sprachen sich für stärkere Sanktionen gegen straffällig gewordene Flüchtlinge aus. 234 Personen oder (92,49 Prozent) stimmten mit „ja“. Lediglich 7,51 Prozent der User fanden, dass die derzeitige Rechtspraxis angemessen ist. Der Wert sollte Politikern und Juristen zu denken geben. Denn unabhängig davon, ob die Strafen für Flüchtlinge nun „gerecht“ sind oder nicht, besteht unter den Usern eine extrem hohe Unzufriedenheit in der Frage nach der „Gleichheit vor dem Gesetz“. Ein Grund dafür dürfte die Anweisung einzelnen Polizeibehörden sein, „kleinere Delikte“ von Flüchtlingen nicht weiter zu verfolgen, sofern sich diese nicht durch ein entsprechendes Papier ausweisen können. Mit „kleineren Delikten“ sind unter anderem Ladendiebstähle oder die Fahrt ohne Bahnticket gemeint. Die Mehrheit der Bundesbürger ärgert sich bereits seit Monaten über derartige Anordnungen der Behörden. Dass sich die User allerdings so klar für mehr und schnellere Abschiebungen aussprechen, hatten auch wir nicht erwartet.
Das womöglich erschreckenste und zugleich traurigste Umfrage-Ergebnis liefert die folgende Frage: Wir wollten von den Usern wissen, ob sie sich aus Angst vor Terror und Gewalt in ihrer persönlichen Freiheit einschränken. Als Beispiel dafür nannten wir die Meidung von größeren Menschenansammlungen. Tatsächlich bleibt fast jeder zweite Umfrage-Teilnehmer (41,50 Prozent) im Zweifel lieber Zuhause oder verzichtet in anderer Form auf Freizeitaktivitäten oder Massenveranstaltungen – ein beängstigender Wert und ein trauriger Erfolg für die Terroristen. Immerhin stimmte die Mehrheit der User mit „nein“ – 58,50 Prozent der Umfrage-Teilnehmer erklärten, das sie sich nicht einschüchtern lassen. Sie wollen auch in Zukunft ihr Leben führen – in Freiheit und selbstbestimmt. Wir von „Schaffen wir das?“ verweisen in dem Zusammenhang auf unser Partnerprojekt an der „Axel Springer Akademie“. Die Kollegen von „Team 17“ haben vor einem Jahr das Freiheitsprojekt „Je reste Charlie“ gestartet, für das sie inzwischen mehrfach ausgezeichnet wurden und das unter einem klaren Motto steht: „Warum wir weitermachen. Müssen“.
Konzeption und Auswertung der Umfrage: Felix Rentzsch